Aktives Zuhören lernen: Ein praxisnaher Leitfaden für bessere Gespräche

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Inhaltsverzeichnis

„Du hörst mir gar nicht richtig zu.“ – Ein Vorwurf, den viele aus Beziehungen oder angespannten Situationen kennen. 

Vielleicht wünschen auch Sie sich, dass Ihre Gespräche wieder harmonischer und verständnisvoller verlaufen. 

Die gute Nachricht: 

Wirkliches, aufmerksames Zuhören ist eine Fähigkeit, die Sie lernen können.

In diesem Leitfaden erkläre ich, was aktives Zuhören wirklich bedeutet, warum es der Schlüssel zu besseren Beziehungen ist und gebe Ihnen 10 praxiserprobte Techniken, konkrete Beispiele und Übungen an die Hand.

Was ist aktives Zuhören wirklich? Mehr als nur still sein

Aktives Zuhören ist weit mehr als die bloße Abwesenheit des eigenen Redens. 

Es ist eine Kommunikationstechnik, bei der Sie sich voll und ganz auf Ihr Gegenüber konzentrieren, um dessen Gedanken, Gefühle und die dahinterliegenden Botschaften zu verstehen. 

Es geht nicht darum, die eigene Antwort vorzubereiten, sondern darum, eine Atmosphäre des Vertrauens und des Respekts zu schaffen.

Die psychologischen Grundlagen für diese Technik legte der amerikanische Psychologe Carl Rogers. Er definierte drei Kernprinzipien, die für eine gelingende Kommunikation unerlässlich sind:

Die 3 Stufen des aktiven Zuhörens - so geht’s

Um den Prozess greifbarer zu machen, lässt sich aktives Zuhören in drei aufeinanderfolgende Stufen unterteilen:

Vielleicht haben Sie schon vieles versucht, um in Gesprächen ruhiger zu bleiben – und doch eskaliert die Situation manchmal. 

Das ist kein Grund zur Verzweiflung, denn es ist absolut verständlich, dass es schwerfällt, alte Muster zu durchbrechen. 

Sehen Sie die folgenden Techniken als hilfreiche Werkzeuge, die Sie Schritt für Schritt ausprobieren können.

Welche Zuhörer-Typen gibt es?

Zuhörer ist nicht gleich Zuhörer, denn es gibt unterschiedliche Typen. Finden Sie heraus, zu welchem Zuhörer-Typ Sie gehören.

Der abwesende Zuhörer

Dieser Zuhörer-Typ ist meist mit einer anderen Tätigkeit beschäftigt, er wirkt abgelenkt und hört gar nicht richtig zu. Er tut zwar so, als ob er zuhört und auf Nachfrage kann er das Gesagte auch wiedergeben, aber er wirkt vor allem emotional abwesend. 

Er scheint sich nicht für sein Gegenüber zu interessieren. Dieses Verhalten sorgt für Frust und führt zu Streit.

Der ungeduldige Zuhörer

Der ungeduldige Zuhörer kann es kaum abwarten, dass sein Gegenüber endlich ausgesprochen hat, damit er endlich wieder reden kann. 

Denn eigentlich ist der ungeduldige Zuhörer gar kein Zuhörer, weil er eigentlich am liebsten selbst redet. Er hört zwar zu, aber so richtig dringt das, was hinter den Worten steckt, nicht zu ihm durch. 

Er gibt gerne Ratschläge und weiß selbst am besten, wie etwas gemacht werden muss.

Der selektive Zuhörer

Der selektive Zuhörer hört nur das, was er hören möchte und was ihn interessiert. Alles andere blendet er aus. Das sorgt beim Gegenüber für Stress und Unzufriedenheit. 

Der selektive Zuhörer hört von seinen Gesprächspartnern oft: „Das habe ich Dir doch schon gesagt/erzählt.“

Der aktive Zuhörer

Ein aktiver Zuhörer schenkt seinem Gegenüber seine vollkommene Aufmerksamkeit. 

Er lässt den anderen erzählen, ohne ihn ständig zu unterbrechen oder seine Erfahrungen zum Besten zu geben. Er spiegelt das Gesagte und wiederholt es mit eigenen Worten. Wenn er etwas nicht verstanden hat, fragt er nach und stellt Verständnisfragen. 

Anstatt sein Gegenüber zu beurteilen oder ungefragt Ratschläge zu erteilen, verhält sich sein guter Zuhörer wertfrei und empathisch. Neben dem Gesagten nimmt er auch die Körpersprache, den Unterton und die Gefühle wahr und geht im Laufe des Gesprächs darauf ein.

10 konkrete Techniken für aktives Zuhören (Mit Beispielen)

Hier sind zehn direkt anwendbare Techniken, mit denen Sie Ihre Fähigkeit zum aktiven Zuhören trainieren und verbessern können.

1. Paraphrasieren: Das Gehörte in eigenen Worten wiedergeben

Wiederholen Sie die Aussage Ihres Gegenübers mit Ihren Worten, um sicherzustellen, dass Sie alles richtig verstanden haben. Das zeigt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern gibt dem Sprecher auch die Chance, Unklarheiten zu korrigieren.

Ein Beispiel:

  „Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie also frustriert, weil Sie den Eindruck haben, die ganze Verantwortung allein zu tragen?“

2. Gefühle verbalisieren: Die Emotionen hinter den Worten erkennen

Oft sind die Emotionen wichtiger als der reine Sachinhalt. Sprechen Sie die Gefühle an, die Sie bei Ihrem Gegenüber vermuten.

Ein Beispiel:

  „Das klingt, als wärst du sehr enttäuscht von dieser Entscheidung.“

3. Offene Fragen stellen (W-Fragen)

Vermeiden Sie Ja/Nein-Fragen. Nutzen Sie offene W-Fragen (Wer, Was, Wann, Wie, Warum), um den Sprecher zu ermutigen, mehr zu erzählen und tiefer in das Thema einzutauchen.

Ein Beispiel:

  „Was genau ist in der Situation passiert, das dich so verärgert hat?“

4. Nonverbale Signale bewusst einsetzen (Nicken, Blickkontakt)

Ihre Körpersprache ist ein mächtiges Werkzeug. Halten Sie Blickkontakt, nicken Sie zustimmend und wenden Sie sich Ihrem Gesprächspartner körperlich zu. 

Das signalisiert ungeteiltes Interesse und Präsenz.

5. Störungen eliminieren und Präsenz zeigen

Legen Sie das Smartphone weg und schaffen Sie eine ruhige, vertrauensvolle Atmosphäre, die signalisiert: 

„Jetzt bin ich nur für dich da.“

6. Urteile und Ratschläge zurückhalten

Ein aktiver Zuhörer versucht zu verstehen, nicht zu bewerten oder sofort eine Lösung zu präsentieren. 

Geben Sie Ratschläge nur, wenn Sie explizit darum gebeten werden.

7. Sprechpausen aushalten und Raum geben

Stille im Gespräch kann eine Chance sein. Geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit zum Nachdenken und Formulieren. 

Widerstehen Sie dem Drang, Pausen sofort mit eigenen Worten zu füllen.

8. Zusammenfassen und bestätigen lassen

Fassen Sie nach einem längeren Redebeitrag die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen. 

Das strukturiert das Gespräch und stellt sicher, dass beide auf dem gleichen Stand sind.

Ein Beispiel:

  „Lass mich kurz zusammenfassen: Die Hauptpunkte sind also A, B und C. Habe ich das korrekt erfasst?“

9. „Zwischen den Zeilen“ lesen

Achten Sie auf das, was nicht gesagt wird. Gibt es Widersprüche zwischen verbaler Aussage und Körpersprache? 

Dies kann Ihnen tiefere Einblicke geben.

10. Zu Guter Letzt: Bleiben Sie authentisch und verbiegen Sie sich nicht

Aktives Zuhören ist eine Technik, aber sie darf nicht mechanisch wirken. 

Bleiben Sie authentisch in Ihrem Interesse und Ihrer Empathie. Ihr Gegenüber wird spüren, ob Ihr Mitgefühl echt ist oder nicht.

Ein praktisches Beispiel: Aktives Zuhören im Konfliktgespräch

Stellen Sie sich einen Konflikt am Arbeitsplatz vor. Mitarbeiter A ist frustriert, weil Mitarbeiter B einen wichtigen Abgabetermin verpasst hat.

Mitarbeiter A (verärgert): „Das kann doch nicht wahr sein! Wegen dir haben wir die Deadline verpasst. Ich musste mir alles von der Chefin anhören.“

Mitarbeiter B (statt Rechtfertigung -> aktives Zuhören):

  • Gefühle verbalisieren: „Ich merke, du bist gerade extrem wütend und enttäuscht von mir.“
  • Paraphrasieren: „Wenn ich dich richtig verstehe, bist du vor allem deshalb so aufgebracht, weil du den Druck von der Chefin abbekommen hast und dich im Stich gelassen fühlst.“
  • Offene Frage stellen: „Was hätte ich anders machen können, damit wir in diese Situation gar nicht erst geraten?“

Dieser Ansatz deeskaliert den Konflikt und öffnet die Tür für eine konstruktive Lösung, anstatt in gegenseitigen Vorwürfen zu verharren.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum aktiven Zuhören

Was sind die drei Stufen des aktiven Zuhörens?

Die drei Stufen sind: 1. Aufmerksames Hören (verbal und nonverbal), 2. Verstehen und Paraphrasieren des Gehörten, 3. Rückmelden und das Verständnis durch Nachfragen vertiefen.

Warum ist aktives Zuhören im Beruf wichtig?

Es stärkt Team-Beziehungen, verbessert die Konfliktlösung, verhindert Missverständnisse und ist eine entscheidende Führungskompetenz.

Kann man aktives Zuhören wirklich lernen?

Ja, absolut. Wie jede andere Fähigkeit erfordert es bewusste Übung und die Bereitschaft, alte Gewohnheiten zu ändern. Beginnen Sie damit, eine der oben genannten Techniken in Ihrem nächsten Gespräch bewusst anzuwenden.

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Über die Autorin

Claudia Völker-Cheung ist Mediatorin, Konfliktberaterin und Journalistin mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Kommunikation & Psychologie.

Sie unterstützt Einzelpersonen, Paare, Familien und Unternehmen dabei, Konflikte konstruktiv zu lösen und eine bessere Kommunikation aufzubauen.

Ihr Wissen teilt sie hier auf dem Blog in Fachartikeln zu Mediation, Konfliktmanagement und Kommunikation.

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